Anforderungen an die Kooperationen mit anderen Politikfeldern

Wie sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Anforderungen an die Kooperationen mit anderen Politikfeldern (Stadtplanung, Wohnungsmarktpolitik, Gesundheitspolitik, (Nah-)Verkehrspolitik, Kultur- und Bildungspolitik) bei der Entwicklung sozialer Räume/Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen?

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Neben der Förderung der Mobilität (Verkehrspolitik) für Jugendliche insbesondere im ländlichen Raum, sehe ich vor allem das Gesundheitswesen gefordert: gesundes Bindungserleben statt Medikation von Kindern = Elterntraining ab Schwangerschaft bis zwei Jahre als Gesundheitsprävention (Vermeidung von Trauma, Lernstörung, Depression, Beziehungsstörung usw.). Internationale Sozialarbeit bzw. grenzüberschreitende Maßnahmen der stationären KJH sollten mit dem Auswärtigen Amt als bedarfsgerechte Mobilität für benachteiligte junge Menschen der EU entwickelt werden und nicht als Ausnahme für einen extrem speziellen Personenkreis aus Deutschland eingeschränkt werden.

Kinder und Jugendliche werden immer nach ihren Räumen suchen. Diese dürfen aber nicht überreglementiert werden! Die Versuche des letzten Entwurfes des KJSG §48b waren schlichtweg falsch und stellte den Kinder und Jugendschutz über die selbstbestimmte Jugend.
Die Ansätze des §79 (2) SGB VIII (Ausstattung der Jugendhilfe und auch der Jugendarbeit) könnten viele Nahtstellen definieren die kommunaler Verantwortung den Blick für Kinder- und Jugendhilfe öffnet.

Freiräume schaffen/akzeptieren,erschiene mir als eine der dringlichsten Aufgaben. Junge Menschen,da schließe ich mich meinem Vorredner gern an, suchen sich ihre Räume selbst und sind damit nicht zuletzt auch ein interessantes Feedback hinsichtlich der Attraktivität vorhandener Angebote. Aber selbst wenn die jungen Menschen mit der Angebotspalette zufrieden sind, suchen sie nach (weitestgehend) unreguliertem Raum. Hier fehlt es häufig an Verständnis und einer schlicht etwas entspannteren Haltung seitens der Politik, mit diesen "besetzten" Räumen umzugehen und bspw. eine sehr niedrigschwellige Art aufsuchender Arbeit zuzulassen. Gerade im großstädtischen Raum, sind die Möglichkeiten zu unreglementierter sozialer Interaktion weitgehend verloren gegangen und Jugendlichengruppen werden wieder zum Problem-/Präventionsfall stilisiert. Freiräume und der Umgang damit, stellen stets eine ressortübergreifende Aufgabe dar, welche aus der Sozialen Arbeit heraus moderiert werden sollte.

Zum Wohnungs- und Immobilienmarkt wären Schnittstellen zu schaffen (bzw. alte wieder zu befähigen), durch die bedürftige junge Menschen (z.B. Careleaver, aber auch junge Familien, Menschen mit einer Behinderung oder Familien mit einem Kind mit einer Behinderung, oder solche mit einer psychischen Erkrankung, ... ) wirksam privilegiert würden.

In den anderen Politikfeldern müsste erst einmal ankommen, dass Kinder und Jugendliche eigenständige Rechte, andere Bedarfe und einen anderen Blick auf ihre Lebenswelt haben! Ich habe nicht den Eindruck, dass dem so ist, sonst müsste es z.B. so etwas wie einen verbindlichen Jugendcheck für politische Entscheidungen geben...

Es wäre toll, wenn die Angebote mehr vernetzt und damit allen bekannt und zugänglich sind. Ich arbeite viel mit bildungsungewohnten Menschen, die oft gar keinen Zugang zu Bildungsangeboten sehen können. Diese Menschen müssten mehr bedacht und einbezogen werden. Dies kann auch Politik nicht schaden:(

Eine bessere finanzielle Ausstattung der Schwangerenberatungsstellen und Hebammen sehe ich als weiteren notwendigen ersten Baustein an. In Ballungsräumen ist es schwierig eine Hebamme zur Geburtsvorbereitung zu bekommen, vielen Schwangeren im ländlichen Raum wird der Zugang zur Schwangerenberatungsstelle erschwert. Das sind erste wichtige Zugänge für werdende Eltern, die oft mit Unsicherheiten konfrontiert werden. Hier können werdende Eltern niedrigschwellig Hilfe zum Aufbau einer sicheren Bindung zum Kind erhalten, ihre Ängste und Nöte zum Beispiel bei Schreibabys erhalten.
Ein anderer wichtiger Punkt ist neben der Förderung einer familiengerechten Wohnungspolitik auch den Fokus auf ausreichende kindgerechte Bewegungsräume im öffentlichen Raum zu legen. Hier sind die kommunalen Stadtplaner gefragt.

Am dringlichsten sehe ich eine bessere Kooperation mit dem Bildungssektor an. Die meisten der von uns begleiteten Kinder / Jugendlichen sind an eine Schule angebunden. Hier brauchen wir Aushandlungsprozesse um eine gemeinsames Verständnis von erzieherischer Unterstützung zu generieren, da Schule immer mehr zum Sozialisationsort wird an dem Defizite kompensiert werden müssen.

In einigen Bundesländern (Berlin, Thüringen, Sachse-Anhalt) gibt es Bemühungen, in Familienfördergesetzen die Belange von Familien zu bündeln. Diese Bestrebungen sollten auch in anderen Bundesländern und in den Kommunen vorangetrieben werden.

Gesetzesinitiativen des Bundes sollten zielgenauer zwischen den unterschiedlichen Ressorts abgestimmt werden. Insbesondere im Hinblick auf Familien ist die Zusammenarbeit mit den Bereichen Gesundheit, Wohnen, Bildung und Finanzen zu intensivieren.

Zudem sollten die Erkenntnisse und Empfehlungen der zurzeit arbeitenden Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse in den Reformprozess des SGB VIII einfließen.

ev. arbeitsgemeinschaft familie (eaf)

Es sollte von Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen her gedacht werden und dann zeigt sich, dass nahezu alle Politikfelder relevant sind.
Die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sollten bei der Ausgestaltung aller Politikfelder mitgedacht werden.

Ich erachte es als wichtig den regionalen Nahverkehr besser auszubauen. Gerade im ländlichen Raum, haben die Möglichkeiten nur bedingt die Möglichkeit ihren umliegenden Sozialraum wirklich zu nutzen. Sie sollten eine gewisse Mobilität und somit auch Flexibilität besitzen.
Des weiteren sehe ich Bedarfe in der Stadtplanung. Raum für Jugendliche und deren Bedürfnisse schrumpft immer mehr. Es gibt Aufenthaltsverbote und ähnliche Schranken. Man muss ihnen Raum zugestehen. Man den Heranwachsenden Alternativen bieten. Wo dürfen sie noch hin? Wo dürfen sie mal laut Musik hören. Fragen die beantwortet werden müssen.

Gelingende Prävention braucht Kooperation und Partizipation aller im Sozialraum aktiven Akteure auf Augenhöhe – auch in Bezug auf verschiedene Politikfelder. Grundvoraussetzung dafür ist eine transparente Prozessgestaltung von Beginn an sowie die gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung der unterschiedlichen Arbeitsweisen und -prinzipien. Oftmals findet die Kooperation mit anderen Politikfeldern erst statt, nachdem bereits Maßnahmen beschlossen wurden. Zudem haben die Angebote der Jugendhilfe zwar grundsätzlich die Möglichkeit sich in Bereichen der Stadtplanung/–entwicklung punktuell einzubringen und sich aktiv zu beteiligen, jedoch werden Themen und Vorschläge nicht selten umdefiniert oder seitens der Stadtverwaltung neu interpretiert, sodass es in der Praxis nur in Ausnahmefällen zu tatsächlichen Aushandlungs- und Beteiligungsprozessen und zur gelingenden Kooperation mit konkreten Wirkweisen kommt. (Teil 1)

Gelingende Kooperation braucht Partizipation!
Damit die Kooperation mit anderen Politikfeldern zielführend ist und sich positiv auf den Sozialraum auswirken kann, braucht es zum einen Formen und Formate in denen die Betroffenen bzw. die jungen Menschen im Sozialraum selbst eine Stimme bei der Entwicklung sozialer Räume bekommen/erhalten und zum anderen eine Aufwertung oder Steigerung der gesellschaftlichen Wertigkeit und Bedeutung der Sozialen Arbeit, insbesondere der Arbeitsfelder, die mit benachteiligen oder ausgegrenzten jungen Menschen und Gruppen arbeiten, um auch diesen Menschen die Chance zu geben mit ihren Bedürfnissen gehört zu werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass es nicht beim Mitreden bleibt, sondern auch zum Mitgestalten kommt.

Die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und den o. g. Politikfeldern ist in vielen Kommunen bereits etabliert, in dem alle Maßnahmen und Projekte hinsichtlich ihrer Berührungspunkte mit den Interessen von Kindern und Jugendlichen geprüft werden. Langfristige strategische Planungen machen eine frühzeitige Vernetzung insbesondere mit den Bereichen Stadtplanung und Bildungspolitik erforderlich. Dazu gehören auch die Berücksichtigung bei der regionalen Bedarfsplanung für Gesundheitsleistungen (Versorgung mit Fachärzten etc.).

Freiflächen und Gemeinschaftsflächen
Bereitstellung von kostenlosen, ausreichenden und ansprechenden „Gemeinschaftsflächen“ in Wohnortnähe (z.B. soziale Treffpunkte, Spielplätze- überdacht und Freiluft) insbesondere in verdichteten Stadtlagen mit beengten Wohnverhältnissen. Auch Freiflächen zur Aneignung durch Kinder sind erforderlich. – Bewegung, Selbstständigkeit, Begegnung, soziales Lernen

"Streetwork und Mobile Jugendarbeit verstehen sich als anwaltschaftliches Sprachrohr für die Adressat*innen, wobei primäres Ziel deren Befähigung zur Einmischung und Beteiligung bleibt." Fachstandards BAG Mobile Jugendarbeit/ Streetwork e.V. - 2018 In dieserRolle sollten die Fachkräfte ernst genommen und vor allem in Gestaltungsprozesse des Sozialraumes frühzeit beteiligt werden. Die Anforderung an andere Politikfelder beinhaltet sich bei allen Schritten und Entscheidungen die Persapektive junger Menschen darauf zu kennen, zu verstehen, zu prüfen und einzubeziehen. Dafür können u.a. die Akteure im Sozialraum und im speziellen die Mobile Jugendarbeit genutzt werden.

-Überwindung des Ressortdenkens, Vernetzung und Kooperation zwischen den Ministerien
- Schnittstellenmanagement
-Kooperationsgebote

Eine Verzahnung, Anhörung und Einbeziehung der Politikfelder (Stadtplanung, Wirtschaftspolitik, Wohnungsmarktpolitik, Gesundheitspolitik, (Nah-)Verkehrspolitik, Kultur- und Bildungspolitik) sind zur Vermeidung oder zumindest zur Verminderung bestehender Armutsrisiken und deren bekannten Folgen erstrebenswert. Dies bedingt aber einer entsprechend entwickelten Haltung (gemeinsame Ziele) sowie einer Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel, um wirksam soziale Räume/Lebenswelten von Familien, Kindern und Jugendlichen zu betrachten und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.

Kommentar des Qualitätsverbunds Babylotse e.V.:
In den Ländern wurden im Zuge der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes im Bereich Früher Hilfen seit 2012 mit den kommunalen Netzwerken Frühe Hilfen flächendeckend und in der Regel belastbare Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen aufgebaut. Inhalt und Ziel sind die gegenseitige Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum, die Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung sowie die Abstimmung von Verfahren im Kinderschutz. Die (einseitige) Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers zum Einbeziehen der in § 3 KKG genannten Einrichtungen und Dienste (namentlich auch der Krankenhäuser) ist durch Regelungen in den für diese Institutionen geltenden Gesetze zu einer gegenseitigen Kooperationsverpflichtung weiterzuentwickeln. Für diese Form der dann deutlich verbindlicheren Zusammenarbeit sind zeitliche und finanzielle Ressourcen bereit zu stellen.

In den Ländern wurden im Zuge der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes im Bereich Früher Hilfen seit 2012 mit den kommunalen Netzwerken Frühe Hilfen flächendeckende und in der Regel belastbare Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Sozialraum aufgebaut. Inhalt und Ziel sind die gegenseitige Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum, die Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung sowie die Abstimmung von Verfahren im Kinderschutz.

Die weitgehend einseitige Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers zum Einbeziehen der in § 3 KKG genannten Einrichtungen und Dienste (namentlich auch der Krankenhäuser) in die Netzwerkarbeit sollte durch Einfügung entsprechender Kooperationsverpflichtungen in den jeweils für diese Institutionen geltenden gesetzlichen Grundlagen ergänzt und finanziert werden. (BAG GuFH)

Ärztinnen und Ärzte sind in Experten im Bereich Kindergesundheit und Kindeswohl, also unverzichtbare Partner in der Verantwortungsgemeinschaft für den präventiven und intervenierenden Kinderschutz. Das bestätigen die Evaluationsergebnisse zum BKiSchG nachdrücklich. Zu ihrer Stärkung sollte die Mitverantwortung des Gesundheitswesens für den Kinderschutz im SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung – noch deutlicher zum Ausdruck kommen. Eine Neufassung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz könnte als Artikelgesetz auch Bestimmungen des SGB V ändern, damit die Leistungssysteme SGB V und SGB VIII zugunsten von Kindergesundheit und Kindeswohls gut ineinander greifen. Sinnvoll wäre folgende Ergänzung:
§ 26 Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche
(1) … sowie eine darauf abgestimmte präventionsorientierte Beratung einschließlich Informationen zu reg. Unterstützungsangeboten für Eltern und Kind zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie nach §16 SGB VIII.
(BAG GuFH)

Das KJSG als Artikelgesetz sollte § 24d - Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wie folgt ergänzen:
§ 24d - Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe:
… Die ärztliche Beratung der Versicherten umfasst bei Bedarf auch Hinweise auf regionale Unterstützungsangebote für Eltern und Kind.

Zur Vorhaltung eines möglichst frühzeitigen, koordinierten und multiprofessionellen Angebots im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern vor allem in den ersten Lebensjahren für Mütter und Väter sowie schwangere Frauen und werdende Väter (Frühe Hilfen) umfasst die ärztliche Betreuung sowie patientenbezogene und patienten-unabhängige Leistungen
1. der Kooperation und Information im Kinderschutz durch Beratung und Aufklärung im Hinblick auf Unterstützungsleistungen,
2. der Abstimmung von Verfahren im Kinderschutz und
3. der Überleitung zu geeigneter Unterstützung und Hilfe im Zusammenwirken mit den zuständigen Leistungsträger und Institutionen. (BAG GuFH)

Barrierefreier Sozialraum
Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit ist zentral für das Aufwachsen von Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung im Sozialraum. Dafür muss Schritt für Schritt der Sozialraum im umfassenden Sinn barrierefrei gestaltet werden, sowohl in Rücksicht auf Mobilität als auch in Bezug auf Möglichkeiten der Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben im Sozialraum.

Vernetzung mit Pflege fördern
Besteht Bedarf an Behandlungspflege oder an Hilfen zur Pflege bei Jugendlichen, muss eine inklusiv ausgerichtete Kinder- und Jugendpolitik dafür Sorge tragen, dass biografisch und sozial zentrale Lebensorte für Kinder und Jugendliche mit Pflege vernetzt und abgestimmt arbeiten.
Z.B. sind aktuell Bildungschancen umso schlechter, je höher der Pflegebedarf von Kindern und Jugendlichen ist. Hier braucht es neue Konzepte der Vernetzung.

Es ist mir als früherer Familienrichter und gegenwärtig Strafrichter ein großes Anliegen darauf ganz deutlich hinzuweisen, dass es im Bereich der Kooperationen mit der Justiz teilweise erschreckende Defizite gibt. So ist in einzelnen Amtsgerichtsbezirken Sachsens jedewede Kooperation mit den Familiengerichten gänzlich unbekannt. Sie beschränkt sich allenfalls auf die (äußerst passive) Teilnahme eines Jugendstrafrichers am Jugendhilfeausschuss des Landkreises. Auch von Seiten des Jugendamtes gibt es in diesen Bezirken keinerlei Initiative. Soweit sich stattdessen Verfahrenspfleger und Freie Träger um Koordinierung bemühen, stehen sie weitgehend alleine da und ihre finanzielle Abhängigkeit vom Jugendamt macht ihnen die Sache schwer. Auf Landesebene scheint es dafür sowohl im Sozialressort (Ministerium, Landesjugendamt) als auch bei der Justiz (Ministerium, Oberlandesgericht) wenig Interesse zu geben. Wichtig ist darum eine umfassende Evaluation der bisherigen Rechtslage!